Durch den wilden Kaukasus (Teil I)

Der letzte Eintrag ist aus der Türkei und seitdem haben wir eine Menge erlebt und sind ein gutes Stück voran gekommen. Gerade sitzen wir im Hafen von Alat und warten auf die Fähre nach Kasachstan. Also ist es wohl an der Zeit über die Reise vom Schwarzen bis zum Kaspischen Meer zu berichten. Wobei es bei letzterem strittig ist, ob es sich überhaupt um ein Meer oder doch um einen See handelt. Die Positionen der Anrainerstaaten variieren, je nachdem welche Bodenschätze gerade national beansprucht werden. Aber das nur am Rande. Kurz nach Passieren der türkisch-georgischen Grenze erreichen wir Batumi und befinden uns gefühlt in einer anderen Welt. Hochhäuser und Imitationen westlicher Baudenkmähler lassen einen abwechselnd an Las Vegas und Disneyland denken (hab beides noch nicht gesehen, aber so stelle ich es mir ungefähr vor). Nach der Ruhe der türkischen Berge ist uns das etwas zu viel und wir fahren schnell weiter östlich Richtung Tbilissi. Zur Auswahl stehen die nördliche Route mit wenig Steigungen und gut ausgebauten Straßen und die südliche Route durch den Kleinen Kaukasus mit Bergen jenseits der 3000 Meter und einem unasphaltierten Pass. Selbstredend nehmen wir die Südroute und werden nicht enttäuscht. In den ersten Tagen treffen wir endlich wieder andere Radfahrer, die uns von den Strapazen der Berge, aber auch von den traumhaften Landschaften im Kaukasus berichten. Ziemlich genauso erlebten wir dann auch die nächsten Tage. Aufgrund der schlechten Straße, den Steigungen und der dünnen Höhenluft schaffen wir kaum mehr als 50 Kilometer am Tag und brauchen fast zehn Tage bis Tbilissi. Aber gelohnt hat es sich in jedem Fall. Der Kleine Kaukasus ist touristisch kaum ausgebaut und bietet spektakuläre Landschaften.
Nach einer anstrengenden Abfahrt sehen wir auf der Karte einen See und beschließen, in der Hoffnung unser Bedürfnis nach Erfrischung und Körperhygiene befriedigen zu können, dort unser Nachtlager aufzuschlagen. Die sechs Kilometer Umweg nahmen wir dafür gerne in Kauf, haben aber nicht damit gerechnet, dass es dabei auf einer Felsenpiste 400 Meter Höhenunterschied zu bewältigen gibt. Ich dachte schon ans Umdrehen, aber Lio konnte mich davon überzeugen bis zum Ende durchzuhalten. Der See entpuppte sich als Tümpel, in dem auch die umherziehenden Kühe nur mit Widerwillen zum Baden gehen. Sei’s drum, es wurde bereits dunkel und so begannen wir mit dem Zeltaufbau. Nach kurzer Zeit kam ein in die Jahre gekommener Jeep mit zwei wild gestikulierenden Männern zu uns, um mit Händen und Füßen zu erzählen, dass es an diesem See in der Nacht vor gefährlichen Tieren nur so wimmele. Die Zwei hatten offensichtlich schon ein bisschen am Chacha (georgischer Nationalschnaps, wird meist Zuahuse gebrannt und hat zwischen 50 und 70 Prozent Alkohol) genippt und wir waren uns unschlüssig, was wir von ihrer Warnung halten sollten. Bevor wir aber selbst eine Entscheidung treffen konnten, kam schon ein Geländelastwagen aus alten Sowjetbeständen vorbei, in den schnell unsere Räder und Gepäck geworfen wurden. In letzter Sekunde sprang ich noch auf die Ladefläche und dann ging die holprige Reise ins Ungewisse los. Eine halbe Stunde später trafen wir im Haus unserer angetrunkenen “Retter” ein und durften bis 2.30 in der Nacht erleben wie ein georgisches Gelage aussieht. Ich denke wir haben uns dabei wacker geschlagen, auch wenn der nächste Tag etwas anstrengend wurde.
In den folgenden Tagen wurden die Steigungen milder und wir erreichten pünktlich Tbilissi, wo wir lang ersehnten Besuch aus Deutschland bekamen. Zehn Tage haben wir uns hauptsächlich erholt und das städtische Leben genossen. Über Tbilissi wurde schon viel geschrieben und wir können uns den positiven Berichten nur anschließen.

 

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