Innere und Äußere Mongolei

Langsam nähern wir uns der Mongolei, man merkt es an der zusätzlichen Schriftart auf den Verkehrszeichen und der kargen Landschaft. Die Innere Mongolei ist die nördlichste Provinz Chinas und wurde wie andere Grenzprovinzen stetig siniisiert, so dass die ethnischen Mongolen dort mittlerweile eine Minderheit darstellen. Doch auf uns wirkt das Verhältnis zwischen Han-Chinesen und Mongolen entspannt und die Provinz ist weniger aufgerüstet als das orwell’sche Xinjiang. Die Provinzgesetze sind trotzdem streng. Ein freundlicher Chinese rettet uns mit seinem Abschleck-Truck aus einem Gewitter und weil das Gesetz es ihm verbietet, uns zu ihm einzuladen, besteht er darauf uns ein Hotel zu spendieren.

Morgens geht es weiter Richtung Gobi Wüste und die ersten 30 Kilometer begleitet uns ein weiterer (leider für uns namenloser) Chinese auf seinem Fahrrad. Unsere Ankunft hat sich in der Kleinstadt schnell rumgesprochen und als wir aufbrechen wollen, wartet er schon in voller Fahrradmontur auf uns. Am Nachmittag nimmt der Wind zu und entwickelt sich zum Sturm. Nach der Mittagspause werden wir vom Rad gepustet und können kaum noch schieben. Also machen wir erstmal zwei Stunden Pause in einem Lokal bis das schlimmste Überstanden ist. Bis Abends kommen wir auch noch 50 Kilometer voran und schlagen unser Lager neben ein paar verlassenen Jurten auf bevor der Sturm zurückkehrt. Und das tut er heftig. In der Nacht ist an Schlaf nicht zu denken, zu laut ist der Wind und zu groß die Sorge um unser Zelt. Es hält sich wacker, doch gegen morgen knickt es dann doch zusammen. Wir retten uns in eine nicht verschlossene Jurte und nach dem Frühstück trampen wir in die nächste Stadt, von wo uns auch direkt ein LKW bis zur mongolischen Grenze mitnimmt.

Für die nächsten Tage ist besseres Wetter angekündigt und wir freuen uns riesig endlich durch die zentrale Wüste Gobi zu radeln. Der Grenzübergang ist lästig, aber dann sind wir endlich in der Mongolei. Vor uns liegen 600 Kilometer Wüste und die nächste Siedlung ist 200 Kilometer entfernt. Um uns herum ist absolut nichts, abgesehen von ein paar Kamelen oder Pferden, die nur widerwillig die Fahrbahn räumen. Die Sonne scheint, doch der Gegenwind ist heftig, selten schaffen wir mehr als zehn Kilometer pro Stunde. Um unser Glück (und die Wasservorräte) nicht allzusehr herauszufordern durchqueren wir die Gobi mit einem Mix aus Trampen und radeln. Einmal suchen wir Windschutz hinter einer leerstehenden Polizeiwache, um auf eine Mitfahrgelegenheit zu warten. Als erstes halten zwei Zivilpolizisten, die sofort noch einen Streifenwagen herbeifunken. Doch statt lästiger Ausweiskontrolle haben sie eine Flasche Wodka im Gepäck und alle machen es sich in der Wache gemütlich. Wir sind Gäste und das muss schlließlich gefeiert werden. Der jüngste Polizist wird losgeschickt und kommt bald mit einer zweiten Flasche und einem Topf Hammelsuppe wieder und die Party beginnt. Es werden Familienfotos gezeigt, Lieder angestimmt und die Stimmung ist prächtig.

Als wir nach einer guten Woche Gobi in Ulan Bator ankommen, sind wir ganz schön erledigt und gönnen uns ein paar Tage Pause. Unser Gastgeber heißt Froid, ist aus den Niederlanden und baut seit fast 20 Jahren Jurten in der Mongolei. Er erzählt gerne, vor allem über die Mongolei und als wir nach fünf Tagen wieder aufbrechen, sind wir bestens mit Hintergrundwissen versorgt. Gut die Hälfte der MongolInnen lebt in Jurten (in der Mongolei nennt man diese Ger), ein guter Teil davon weiterhin nomadisch. Zwei bis zehnmal pro Jahr ziehen die Familien mit ihrer gesamten Habe und dem Vieh auf neue Weidegründe. Die Gastfreundschaft spielt dabei eine große Rolle. Jede Person hat ein Gastrecht, das von den Jurtenbesitzern meist gerne gewährt wird. Als wir nördlich von Ulan Bator mal wieder in einen Sandsturm geraten, ist eine Jurte nicht weit und wir werden freundlich hereingebeten. Zur Begrüßung gibt es, wie überall in der Mongolei erstmal gesalzenen Milchtee mit Schmalzgebäck. Dann sollen wir schlafen bis das Abendessen fertig ist. Wir werden eingeladen die Nacht in der Jurte zu verbringen und am nächsten Morgen werden wir noch mit reichlich Borts (getrocknetem Hammelfleisch) ausgestattet.

Zwei Tage später kommen wir erneut in die Gunst der mongolischen Gastfreundschaft. Um uns und unser Zelt vor starkem Wind zu schützen fragen wir in einem Dorf, ob wir unser Zelt im Windschutz eines Holzzauns aufstellen dürfen. Als wir anfangen zu kochen winkt die Familie im dazugehörigen Haus direkt ab. Am Morgen wurde ein Schaf geschlachtet und als Gäste sollen wir das beste davon bekommen. Wir werden an den Tisch gesetzt und uns wird eine große Schüssel frisch gekochte Hammelinnereien vorgesetzt. Dazu ein großes Messer und die Aufforderung “Iss!”. Besonders verführerisch riechen die frischen Gedärme nicht, doch neben Gastrechten gibt es auch Gastpflichten, also schneiden wir pflichtbewusst ein paar Stückchen aus den Organen, die für uns noch am genießbarsten aussehen und kauen darauf herum.

Fürs erste haben wir jetzt genug von Hammelfleisch und zelten wieder in der Wildnis. Unser geschenktes Fleisch tauschen wir an einem Marktstand gegen Brot und eingekochte Früchte. Nach Ulan Bator haben wir die Hauptstraße gemieden und sind über Land gefahren. In der Mongolei sind nur wenige Straßen asphaltiert und oft müssen wir die Räder durch knietiefe Flüsse schieben. Doch die Landschaft entschädigt uns, im Norden des Landes ist alles hügelig und grün, nur ab und an unterbrochen von einer Herde Pferde oder Kühe und ein paar Jurten.

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